Ein bäuerliches Getreidefeld wird zur zukunftsweisenden Solarsiedlung

Das Gebiet in Gelsenkirchen, in dem wir heute die Straßen "Sonnenhof" und "Solarsiedlung" finden, gehörte seit dem Jahre 1832 zur Landgemeinde "Braubauerschaft". Dieser Name wurde im Jahre 1900 in "Bismarck in Westfalen" geändert und ist heute der

Zur Zeit der Landgemeinde Braubauerschaft um 1865 war das die Flur II, gen. Lahr. Hier lagen unter anderem vierzehn Felder, die heute das Gebiet um die Solarsiedlung ausmachen. Im Westen wird das Gebiet begrenzt von der Sellmannsbachstraße, im Norden von der Straße Trinenkamp, im Osten von der Bramkampstraße und im Süden von der Marschallstraße. Der größte Anteil der Felder und Wiesen gehörte zu den Höfen Kleine Lahr und große Lahr. Kleine Lahr war seit 1397 ein Behandigungsgut des Stiftes Essen mit einer Größe von 117 Morgen und 16 Quadratruthen. Große Lahr war seit dem Sechzehnten Jahrhundert ein Behandigungsgut des Stiftes Panthaleon in Köln mit einer Größe von 122 Morgen und 120 Quadratruthen.

Seit der Jahrhundertwende um 1900 befand sich das gesamte Gebiet, auf dem heute die Solarsiedlung errichtet ist, im Eigentum des Zechenverbundes Consolidation. Die Zeche hatte das Gebiet an den Hof Große Lahr verpachtet. Dort war für die landschaftliche Nutzung des Gebietes der Bauer Oskar Ernst sen. (1900-1988) zuständig, der zunächst am Hof Große Lahr angestellt war, und der diesen später im Jahr 1924 übernahm. Genutzt wurde das Feld für den Anbau von Getreide, Runkelrüben und Kartoffeln. Im Zweiten Weltkrieg kam dem Feld eine weitere Aufgabe zu, als dort auf mehreren großen Fundamenten Flakstationen errichtet wurden, die zur Verteidigung des Bergwerks Consolidation dienten. Die Fundamente dieser Flakstationen blieben bis Anfang der 70er Jahre erhalten - noch lange, nachdem die Geschütze demontiert wurden. Als Anfang der 70er Jahre die Fundamente der Flakstationen entfernt wurden, hatte inzwischen schon der Sohn Oskar Ernst jun. (*1947) die Geschäfte des Vaters übernommen und die landwirtschaftliche Nutzung des Gebietes der heutigen Solarsiedlung fortgeführt.

Zu Beginn der 80er Jahre gingen die Flächen in den Besitz der Stadt Gelsenkirchen über. Dieses waren die ersten Vorzeichen einer langfristigen Stadtplanung, denn der Bau der U-Bahn war beschlossen, und die Stadt sicherte sich auf diese Weise die benötigten Grundstücke. Kurz darauf begannen auch schon die Bauarbeiten für die U-Bahn. Während dieser Zeit wurden die südlöstlichen Bereiche des heutigen Gebietes der Solarsiedlung für die Zwischenlagerung der Erdmassen genutzt, die beim Bau der U-Bahn in offener Bauweise anfielen. Gerade dieser südöstliche Teil des Gebietes war seit dem Kriegsende als Grabeland genutzt worden, was mit dem Bau der U-Bahn endete.

Nachdem die Arbeiten an der U-Bahnlinie soweit fortgeschritten waren, dass die Baugrube wieder verschlossen wurde, verblieb allerdings in diesen Teilen des Gebietes so viel Bauschutt, dass die landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr möglich war, und die Flächen lediglich als Rasenfläche angelegt wurde.

Nach dem Bau der U-Bahn-Linie gab die IBA - die Internationale Bauausstellung Emscher Park - die nächsten Impulse zur Bebauung der Fläche. Im Jahr 1996 begannen die Arbeiten für die Siedlung "Einfach und selber bauen", bei der insgesamt 28 Einfamilienhäuser in Holzrahmenbauweise von den Erwerberfamilien größtenteils selbst errichtet wurden. Auch diese Häuser verfügen schon über eine solargestützte Warmwasserbereitung und sie entsprachen dem Niedrigenergiehausstandard zur damaligen Zeit.

Im Jahr 1998 wurde mit den Bauarbeiten für die Evangelische Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck begonnen, die ebenfalls ein Projekt im Rahmen der IBA darstellte. Nicht nur das pädagogische Konzept dieser Schule, sondern auch die Haustechnik mit den solarthermischen Anlagen und den Photovoltaikanlagen sind heute nach wie vor weit über die Grenzen Gelsenkirchens hinaus bekannt. Auch die Turnhalle, die heute das Gebiet der Solarsiedlung nach Norden hin abschließt, wurde im Jahr 1998 errichtet. Mit dem Beginn der Bauarbeiten der Schule endete die Pacht des Gebietes von Bauer Ernst, und das gesamte Gebiet verblieb als Rasenfläche, bis im Frühjahr 1999 schließlich der Oberboden abgeschoben wurde, da inzwischen längst feststand, dass hier im Herzen von Gelsenkirchen-Bismarck die erste Solarsiedlung des Ruhrgebietes entstehen sollte.

Bauer Ernst, der die hier erzählte Historie des Gebietes selbst miterlebt hat, ist vielen Bewohnern Gelsenkirchen-Bismarcks bekannt: Zu seinem Hof an der Theodorstraße zählt auch heute noch mitten in Bismarck eine Pferdekoppel, und frischere Eier und Kartoffeln werden in Bismarck mit Sicherheit nicht angeboten.